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Vom Boom am Bau ist nichts übrig
vom 09.01.2023
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Vom Boom am Bau ist nichts übrig
Wohnen wird auf absehbare Zeit nicht günstiger

Steigende Zinsen, fallende Immobilienpreise, höhere Anforderungen und geringere Förderung – die aktuelle Gemengelage im Wohnungsbau lässt zumindest für das nächste Jahr nichts Gutes erahnen. Es fehlen weiterhin Hunderttausende von Wohnungen, aber die Aussichten und Erwartungen der Marktteilnehmer bezüglich des Neubaus und der Vermarktung von Neubauten sind überwiegend negativ.

Auch wenn die aktuell sinkenden Preise für Bestandsimmobilien etwas anderes vermitteln, so sind doch die Immobilienpreise in Deutschland seit 2015 gemäß einer Studie von Allianz Research insgesamt um 50% gestiegen. Selbst wenn der in der Studie prognostizierte Preisrückgang von rund 8% bis 2024 eintritt, bedeutet das unter dem Strich immer noch eine Wertsteigerung von ca. 40% seit 2015. Gleichzeitig sind die Mieten über alle Baujahre hinweg gestiegen. Dieser Trend setzt sich fort, vor allen in den Städten wird es teurer. Daher ist es nicht verwunderlich, dass die Anzahl der Mietobjekte deutlich angewachsen ist, was darauf schließen lässt, dass Teile der Verkäufer aktuell von einem Verkauf Abstand genommen haben und ihre Immobilie lieber vermieten. Trotzdem ist die Lücke zwischen Bedarf und Bestand auf längere Sicht kaum zu schließen.

Bereits im letzten Jahr wurde das von der Bundesregierung ausgerufene Ziel von 400.000 neuen Wohnungen um gut 100.000 verfehlt. In diesem Jahr werden es wohl nur rund 280.000 fertiggestellte neue Wohnungen sein. Und für 2023 wird die Zahl voraussichtlich noch weiter auf 245.000 fallen. Die Anzahl der Baugenehmigungen sind im Laufe des Jahres immer weiter zurückgegangen.

Im Bereich Neubau wurden insgesamt im ersten Halbjahr 2022 Baugenehmigungen für 161.177 Wohnungen erteilt, das sind 2,1% weniger als im Vorjahreszeitraum. Besonders deutlich sank die Zahl der Bewilligungen für Einfamilienhäuser. Hier gab es ein Minus von 17%. Hintergrund sind, neben den ausgelasteten Kapazitäten bei Handwerkern und Baufirmen, die gestiegenen Baukosten in Kombination mit den stark gestiegenen Zinsen. Innerhalb eines Dreivierteljahrs haben sich die Zinsen für Hypothekendarlehen mit einer Zinsbindung von 10 Jahren, allerdings von einem historisch niedrigen Niveau, verdreieinhalbfacht.

Millionen Menschen in Deutschland hätten einen Anspruch auf günstige Wohnungen. Zusätzlich sind allein in den ersten 8 Monaten dieses Jahres 1,1 Millionen Menschen netto zugewandert. Rund 874.000 Menschen davon stammen aus der Ukraine. Die Zuwanderer benötigen ein Dach über dem Kopf. Der Druck auf den Wohnungsmarkt steigt aber nicht nur dadurch beträchtlich. Viele Menschen, die ein Eigenheim bauen wollten, nehmen aufgrund der aktuell schwer kalkulierbaren Preise sowie der gestiegenen Zinsen davon Abstand und weichen lieber auf den Mietmarkt aus. Die sich dadurch verlagernde Nachfrage führt gerade in Ballungszentren zu einer weiteren Wohnraumverknappung und damit verbunden auch zu einem Anstieg der Mieten. Im dritten Quartal sind die Mieten im Schnitt kräftig um 5,8% gegenüber dem Vorjahresquartal gestiegen.

Statistisch fällt alle 19 Minuten eine Wohnung aus der Sozialbindung. 2021 wurden nur knapp 21.500 neue Sozialwohnungen gebaut. Gleichzeitig sank der Bestand aber um 27.369 Wohnungen. Die Gesamtzahl beträgt bundesweit nur noch rund 1,1 Millionen Sozialwohnungen. Dieser Negativtrend setzt sich auch 2022 fort. Hamburg will eigentlich pro Jahr 3.000 neue Sozialwohnungen bauen. Allerdings wurden im ersten Halbjahr 2022 lediglich 19 neue geförderte Sozialwohnungen genehmigt. Bundesweit wären geschätzt rund 3 Millionen Sozialwohnung notwendig. Diese Anzahl entspricht dem ehemaligen Bestand an Sozialwohnungen in den 90er Jahren.

Branchenkenner fordern schon seit Längerem Alternativen zum Neubau. Konkret geht es um Dachaufstockungen und den Umbau von Büros, die durch das Homeoffice nicht mehr gebraucht werden. Allein aus dem Umbau von Büros könnten bis zu 1,9 Millionen neue Wohnungen entstehen. Das wären sogar mehr als die aktuell fehlenden Wohnungen.

Die Erfahrung zeigt, dass Projekte, die aufgrund der fehlenden Planungssicherheit „erst einmal“ zurückgestellt werden, Gefahr laufen, oft gar nicht mehr realisiert zu werden. Die Baufirmen und Handwerker arbeiten zum jetzigen Zeitpunkt die bereits erteilten Aufträge ab. Da aber deutlich weniger Aufträge nachkommen, könnte es erstmals nach Jahren, in denen aufgrund des Fachkräftemangels am Bau, nicht so viel gebaut werden konnte wie gewollt, mangels Aufträgen zu einem Personalabbau kommen. Diese Stellen wieder zu besetzen, wenn die Konjunktur anzieht, dürfte aber nicht so schnell gehen. Es könnte also zu einer jahrelangen Baukrise kommen.

Diese negative Entwicklung hat die Bundesregierung veranlasst zu reagieren. Mit dem Jahressteuergesetz wurden verbesserte Abschreibungsmöglichkeiten im Wohnungsneubau verabschiedet. Für Fertigstellungen ab 01.07.2023 wird der AfA-Satz von 2% auf 3% erhöht. Außerdem wird die Möglichkeit zur Sonderabschreibung im Mietwohnungsbau reaktiviert. Sie wird ab dem 01.01.2023 mit einer Laufzeit von 4 Jahren bis 2026 verlängert und ist an klimafreundliches Bauen gekoppelt. 5% der Herstellungskosten können jährlich steuerlich abgesetzt werden, wenn der Standard Energieeffizienzhaus 40 mit Nachhaltigkeitsklasse eingehalten wird. Die Baukosten werden auf EUR 4.800 pro Quadratmeter gedeckelt.

Auch die Förderung für Sanierungen wird ab 2023 reformiert. Künftig gibt es mehr Anreize für die serielle Sanierung. Hier gibt es einen Bonus in Höhe von 15%. Gefördert wird z.B. die Verwendung von vorgefertigten Fassaden bzw. Dachelementen. Außerdem wurde bereits im September 2022 der Bonus für am wenigsten energieeffiziente Gebäude von 5% auf 10% erhöht. Neben Sanierungen auf den EH 40- und EH 55-Standard werden nun auch Sanierungen auf den EH70-Standard gefördert.

Im Bundeshaushalt 2023 erhält das Ressort „Wohnen und Bauen“ einen Etat von rund 7 Milliarden Euro, das sind 2,3 Milliarden mehr als ursprünglich geplant. Das Budget ist jedoch mit fast EUR 3 Milliarden für das neue Wohngeld belastet. Rund 1,3 Milliarden Euro sollen dem Sozialen Wohnungsbau zu Gute kommen. Das Baukindergeld wird dagegen gekürzt. Der Staat konzentriert sich bei der Förderung auf den Geschosswohnungsbau. Es sollen möglichst viele neue Wohnungen entstehen. Die individuelle Förderung wird für die Erreichung dieses Ziels zurückgenommen.


Die negativen Erwartungen der Marktteilnehmer bezüglich des Neubaus und der Vermarktung von Neubauten bedeutet gleichzeitig aber positive Aussichten für Bestandsimmobilien und deren Vermietung. Der Staat erhöht die Förderung und die Anreize für den Neubau, insbesondere den sozialen Wohnungsbau. Angesichts des hohen Fehlbestandes und des anhaltenden Zuzugs aus dem Ausland werden diese Maßnahmen aber nicht ausreichen. Dabei sind die geplanten umfangreichen energetischen Sanierungen der Bestandsimmobilien noch gar nicht berücksichtigt. Der Staat wird erheblich mehr Geld in die Hand nehmen und von einem wesentlich längeren Zeitraum für die Umsetzung der Sanierungsmaßnahmen ausgehen müssen, denn rund 40% der Wohnimmobilien weisen einen geringen oder sehr geringen Energiestandard auf.




Quelle: IC Consulting GmbH