Kampf um die Weltherrschaft
Informationen sind Macht
Häufig wiederholt sich Geschichte. Meistens übernahmen die Währungen der jeweils führenden Wirtschaftsmächte die Funktion der Welt-Leitwährung. Seit etwa 100 Jahren ist das der US-Dollar, der damals das britische Pfund ablöste. Eine Leitwährung zeichnet sich dadurch aus, dass sie als international wichtigste Transaktions-, Anlage- und Reservewährung fungiert. Hierzu muss sie uneingeschränkt in andere Währungen konvertierbar und in ausreichendem Maße global verfügbar sein, um der weltweiten Liquiditätsnachfrage entsprechen zu können. Offene, tiefe und gut entwickelte Finanzmärkte sind dabei eine wichtige Voraussetzung. Auch sollte das Leitwährungsland die innere Wertstabilität der Währung durch eine nachhaltig auf Preisniveaustabilität ausgerichtete Geld- und Finanzpolitik sicherstellen, einen hohen Grad an makroökonomischer Stabilität besitzen und eine bedeutende wirtschaftliche und politische Rolle in der Weltwirtschaft spielen. Diese Kriterien werden von den USA nach wie vor am besten erfüllt, allerdings versucht China aktuell, den USA diesen Rang streitig zu machen. Der Kampf um die Leitwährung ist somit auch ein Kampf um die Weltherrschaft.
Informationen spielen in dieser globalen Auseinandersetzung eine sehr wichtige Rolle. Netzwerke sind das physische Rückgrat der Weltwirtschaft. Egal, ob Menschen telefonieren, online einkaufen oder Geld überweisen, es steht hinter jeder Transaktion ein Netzwerk, ohne das die Vorgänge nicht funktionieren würden. Die USA hat dies bereits vor über 20 Jahren erkannt und begonnen, Informationen zu sammeln, zu analysieren und zu steuern. Der US-Geheimdienst NSA legte riesige Überwachungsprogramme auf und das US-Finanzministerium begann, weltweite Finanzbewegungen zu durchleuchten. Hierzu wurde das Interbankensystem SWIFT mit wirtschaftlichem und juristischem Druck zur Zusammenarbeit bewegt. Auch die Netzwerke großer US-Konzerne werden für die Sammlung von Informationen genutzt.
Diese Informationen werden für z.B. auch für die Durchsetzung von Sanktionen genutzt. Da es noch keine verlässlichen Alternativen für die US-dominierten Netzwerke gibt, ist die Weltwirtschaft von den Amerikanern abhängig. Das gefällt China und weiteren aufstrebenden Staaten wie z.B. Saudi-Arabien und Indien nicht. Der asiatische Raum versucht seit längerem, sich vom Westen abzugrenzen und sich von der Dominanz der USA zu lösen. Dies zeigt sich bei der gemeinsamen Abkehr vom US-Dollar als Zahlungsmittel, was auch zum Unterlaufen der Sanktionen gegen Russland führt. Im Juli 2023 wurden bereits 72% des russischen Exports in Rubel oder den Währungen russlandfreundlicher Staaten abgewickelt. Anfang 2022, vor Beginn des Ukraine-Kriegs, waren es nur 15%. 75% der Geschäfte im ersten Halbjahr 2023 zwischen Russland und China wurden in Yuan abgewickelt. Aber auch bei Russlands Geschäften mit Drittstaaten wird zunehmend der Yuan verwendet.
China hat außerdem ein eigenes Interbankensystem namens CIPS als Konkurrenz zu SWIFT entwickelt. Allerdings ist der Yuan keine frei konvertierbare Währung, was ein Hindernis im Einsatz im internationalen Handel ist. Chinas Finanzmärkte sind noch stark unterentwickelt. Ohne eine Vertiefung und Liberalisierung der chinesischen Kapitalmärkte kann der Yuan einer potenziellen Rolle als Weltwährung nicht gerecht werden.
Auch müsste die chinesische Regierung bereit sein, den im Zuge der globalen Nachfrage nach Yuan entstehenden Aufwertungsdruck auf die eigene Währung stattzugeben und die mit dem Leitwährungsstatus verbundenen Leistungsbilanzdefizite zu akzeptieren. Zudem sind Investitionen in China nicht durch ein verlässliches Rechtssystem geschützt.
Der hoch entwickelte Finanzmarkt der USA bildet den Rückhalt für die führende internationale Stellung des US-Dollars. Eine hohe Liquidität, ein funktionierender Anleihemarkt mit entsprechender Regulierung, leichte Konvertierbarkeit und ein hohes Investorenvertrauen sind die Pluspunkte des US-Dollars und lassen seine Ablösung als Leitwährung daher als unwahrscheinlich erscheinen. Kein anderer Staat hat auch nur einen annähernd so entwickelten Finanzmarkt.
SWIFT-Daten zeigen, dass die Stellung des US-Dollars aktuell als Leitwährung nicht bedroht ist. 39,4% aller internationalen Zahlungen werden in US-Dollar getätigt. An diesen Marktanteil kommt nur der Euro mit 35,8% heran. China liegt mit dem Yuan abgeschlagen bei gerade mal 2,5%. Allerdings glauben viele Fachleute an ein zunehmend fragmentiertes internationales Währungssystem, bei dem der Yuan eine deutlich größere Rolle spielten wird als bisher. Politisch gesteuerte Finanzmärkte sind dem Status einer internationalen Währung jedoch nicht zuträglich.
Die EU sollte sich bewusst machen, dass sich die Beziehung zu den USA verändert hat. Die Interessen sind ähnlich, jedoch könnte die USA jederzeit auch Sanktionen gegen die EU einsetzen. Andersherum wird das nicht durchzusetzen sein.
Weltweit waren die Gegner des US-Dollars niemals stärker als heute. Der Euroraum und China sind die einzigen Währungsräume, die mit ihrer wirtschaftlichen Größe das Potenzial haben, den US-Dollar als Leitwährung zu ersetzen. Allerdings erfüllen sie andere wesentliche Charakteristika einer Weltwährung momentan (noch) nicht. Daher erscheint ein zukünftiges und für die gesamte Welt positives Szenario mit mehreren Leitwährungen, bestehend aus US-Dollar, Euro und Yuan, wahrscheinlicher und kann auch aus ökonomischen Gründen sinnvoll sein. In einer zunehmend globalisierten Welt werden sich Länder, die mit dem Euroraum oder China handeln, bei Existenz entsprechend liquider Finanzmärkte verstärkt in Euro bzw. Yuan verschulden, und diese Währungen zunehmend auch als Reservewährung halten. Neben den daraus resultierenden risikomindernden Diversifikationseffekten kann sich in einem solchen System kein Leitwährungsland mehr übermäßig in eigener Währung zur Finanzierung von Leistungsbilanzdefiziten verschulden, ohne dass es durch Glaubwürdigkeits- und Vertrauensverluste zu einer Substitution der Anlagen in die konkurrierenden Leitwährungen käme. Auf diese Weise könnten multiple Reservewährungen auch zu einer von den internationalen Finanzmärkten forcierten Begrenzung wirtschaftspolitisch unerwünschter globaler Leistungsbilanzungleichgewichte beitragen.
Quelle: IC Consulting GmbH